P. Pasture u.a. (Hrsg.): Gender and Christianity in Modern

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Titel
Gender and Christianity in Modern Europe. Beyond the Feminization Thesis.


Herausgeber
Pasture, Patrick; Art, Jan; Buerman, Thomas
Erschienen
Leuven 2012: Leuven University Press
Anzahl Seiten
265 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Yvonne Maria Werner

Geschlecht und Religion ist ein nunmehr gut bearbeitetes Forschungsfeld, und es erscheinen immer neue Studien zu diesem Thema. Die meisten behandeln die Bedeutung der Religion für die Frauen, aber in den letzten zehn Jahren ist das religiöse Engagement der Männer verstärkt in den Fokus geraten. Ein Ausfluss dieses Interesses ist das von mir geleitete Forschungsprojekt über «christliche Männlichkeit» im 19. und 20. Jahrhundert, dessen Ergebnisse 2011 in einem vom Leuven University Press herausgegebenen Sammelband vorgelegt worden sind. Auch die Anthologie Gender and Christianity in Modern Europe ist in diesem Verlag publiziert worden. Die beiden Werke komplettieren einander. Während das erstgenannte Buch in erster Linie Genderkonstruktionen im skandinavischen Protestantismus behandelt, hat das Forschungsnetzwerk, das die hier in Frage kommende Anthologie hervorgebracht hat, sich vor allem mit dem Katholizismus befasst. Die These einer Feminisierung des Christentums in der Moderne bildet in beiden Fällen den Ausgangspunkt der Studien.

In einem einführenden Artikel stellt Patrick Pasture die Feminisierungsthese, deren Ursprung und ihre Ausdrucksformen vor. Mehrere Forscher haben geltend gemacht, dass es im 19. Jahrhundert zu einer Feminisierung der christlichen Kultur gekommen ist und dass Religion eine der weiblichen Sphäre zugeordnete Privatsache wurde. Die These ist auch angewandt worden, um die Säkularisierung der Gesellschaft zu erklären. Andere haben die Bedeutung der christlichen Organisationen für die Emanzipierung der Frauen in der protestantischen Welt und die wachsende Bedeutung der Frauenkongregationen im Katholizismus hervorgehoben. Die Kritiker der Feminisierungsthese weisen auf die Tatsache, dass die Kirchen von Männern geleitet wurden und dass viele Männer sich im öffentlichen und politischen Leben für die Rechte und Interessen ichrer Kirchen engagierten.

Die meisten Beiträge des Sammelbandes sind von belgischen und niederländischen Historiker/Innen verfasst und liefern Exempel aus diesen Ländern. Drei Artikel beziehen sich auf deutsche und einer auf britische Verhältnisse. Hugh McLeod analysiert die Debatte um die christliche Sportbewegung, die sich im 19. Jahrhundert unter den Namen Muscular Christianity in Großbritannien verbreitete und dessen Ziel es war, das christliche Mannsideal zu modernisieren und die Gesellschaftsrelevanz des christlichen Glaubens zu verstärken. Es ging hier um die die Frage der Unterscheidung zwischen christlichen und unchristlichen Formen sportlicher Tätigkeit. Thomas Buerman untersucht das Bild des idealen christlichen Mannes in Erzählungen von Männern, die als päpstliche Soldaten (zouvaes) gedient hatten. Er sieht die Feminisierungsthese teilweise bestätigt durch die Gegenüberstellung von frommen Müttern und irreligiösen Vätern und durch die, wie er meint, Infantilisierung des Männlichkeitsideals, die in den Beschreibungen der Reinheit und des Opfergeistes der jungen Soldaten zum Vorschein trete. Auch Jan Art hebt in seinem Artikel über die Marienverehrung im ultramontanen Katholizismus die Rolle der Mütter als religiöse Vorbilder hervor und plädiert für die Verwendung psychologischer Erklärungsmodelle, um die Feminisierung und Italienisierung des ultramontanen Katholizismus zu erklären. Im Gegensatz zu den an deren Autoren des Buches sieht er den Begriff der Feminisierung nicht in erster Linie als ein analytisches Werkzeug sondern als eine historische Tatsache.

Der Theologe Bernhard Schneider kritisierte die Feminisierungsthese schon vor zehn Jahren. Er schlägt vor, dass man zwischen verschiedenen Gesellschaftssektoren unterscheiden und den Grad der Feminisierung derselben untersuchen solle. In seinem Beitrag stellt er auf Grund einer Analyse der deutschen Debatte um die Armutspflege fest, dass es nicht ganz falsch ist, von einer Feminisierung des Caritas zu sprechen, dass aber das Bild nuanciert werden muss. Er erinnert daran, dass die Organisation der Armenpflege lange Zeit eine männliche Domäne gewesen ist, dass die protestantischen Diakonissinnen unter männlicher Führung standen und dass es neben den weiblichen karitativen katholischen Frauenkongregationen auch männliche Kongregationen gab, die sich der karitativen Tätigkeit widmeten.

Marit Monteiro und Marieke Smulders untersuchen Männlichkeitskonstruktionen der niederländischen Dominikaner in der Zwischenkriegszeit. Monteiro stellt fest, dass die monastischen Ideale des Ordens aufgewertet wurden, warnt aber zugleich vor einer allzu scharfen Gegenüberstellung von katholischen und säkularen Mannsidealen; ein «rein» katholisches Mannsideal gab es nicht. Dies wird in Schmulders Studie über die Männlichkeitsformierung in einem dominikanischen Priesterseminar bestätigt. Hier vermischte sich die asketische dominikanische Spiritualität mit bürgerlichen Männlichkeitsidealen. Das spezifisch Katholische tritt vor allem in der Betonung der religiösen Tugenden und des Zölibats hervor. Eben das priesterliche Zölibat war ein wichtiges konfessionspolitisches Kontroversthema. Dies trat, wie Angela Berlis zeigt, auch in den Debatten zwischen Katholiken und Altkatholiken während des Kulturkampfes in Deutschland zutage. Die Altkatholiken, die ja das Priesterzölibat abgeschafft hatten, stellten das Zölibat als etwas Unmännliches dar, während man auf katholischer Seite die altkatholischen Pastoren als weibisch und charakterlos bezeichnete.

In der neueren Forschung wird von Tendenzen einer Remaskulinisierung der katholischen Frömmigkeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesprochen. Als Beispiel wird der Herz-Jesukult genannt, der einen mehr demonstrativen und «männlichen» Charakter erhalten haben soll. Tine Van Osselear zeigt, dass ähnliche Tendenzen auch im belgischen Katholizismus vorhanden waren. Sie ist jedoch kritisch gegenüber der üblichen Interpretation, diese Entwicklung als einen Ausdruck einer «Maskulinisierung» und als Reaktion auf eine «Feminisierung» zu betrachten. In ihrem Artikel stellt sie die Anwendung dieser Begriffe als analytische Kategorien in Frage, da dies leicht zur Übernahme historischer Genderkonstruktionen und im Endeffekt zu einem essentialistischen Verständnis von Geschlecht führe.

Marjet Derks knüpft in ihrem Artikelüber niederländische katholische Frauenvereine an diese Argumentation an und plädiert für die Verwendung des vielfältigeren Genderbegriffs von Joan Scotts. Wie Derks zeigt auch Michael E. Sullivan, der sich mit der weiblichen Jugendbewegung in Deutschland befasst, dass die Frauenvereine zum Teil eine ähnliche Ausrichtung wie die der Männer hatten, was in beiden Fällen als eine Spiegelung der veränderten Genderkonstruktionen der Gesellschaft interpretiert wird.

Die Autoren haben das Ziel gehabt – wie es in dem Untertitel des Buches heisst –, hinter die Feminisierungsthese zu gehen (beyond the feminization thesis), ein Ziel, das durch die Problematisierung des Feminisierungsbegriffs und die Ausweitung der Analyse auf die Konstruktionen von Männlichkeit realisiert worden ist. Auch wenn die Feminisierungsthese in vieler Hinsicht in Frage gestellt werden kann, so hat sie dazu beigetragen, die Forschung in neue Bahnen zu lenken, wofür diese Anthologie ein gutes Exempel liefert.

Zitierweise:
Yvonne Maria Werner: Rezension zu: Patrick Pasture/Jan Art/Thomas Buerman (Hg.), Gender and Christianity in Modern Europe: Beyond the Feminization Thesis, Leuven, University Press, 2012. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 107, 2013, S. 437-439.

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